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Der Untergang des österreichischen Imperiums

oder Die gereizte Republik

Von Ed. Hauswirth

Sehr frei nach "Il Decamerone" von Giovanni Boccaccio

Eine Koproduktion mit Theater im Bahnhof Graz

Vorstellungsdauer
ca. 120 Minuten, keine Pause

Uraufführung

Premiere: Sa. 17. Nov. 2018, 20.00

Derniere: Di. 04. Juni 2019, 20.00

Über Der Untergang des österreichischen Imperiums

"In der augenblicklichen Demokratie geht es um inszenierte Politik und die Medien bieten das Theater dafür."



Die mondäne Villa eines Verlegers am Semmering. Eine Gruppe von publizierenden Menschen aus der Öffentlichkeit trifft sich hier traditionell einmal im Jahr für ein Wochenende der freundschaftlichen Auseinandersetzung.



Doch dieses Jahr liegt Spannung in der Luft. Eine Atmosphäre der Auflösung greift im Land um sich, die sich auch auf den eigenen Berufsstand auswirkt und das bisherige Selbstverständnis angreift. Überfordert steht man vor dem Befund, dass die bekannten und gut eingeübten Diskurse gegenwärtig an den Rand gedrängt werden und das Regulativ der Vierten Gewalt im Staat ins Schwanken gerät.



Dennoch redet man hauptsächlich über Essen, Sex und Befindlichkeiten. Normalität wird simuliert, oberflächlich soll wenigstens hier am Semmering alles so bleiben, wie es ist – auch wenn gar nicht weit entfernt die Demokratie auf dem Spiel steht. Bis die ideologischen Gegensätze untereinander immer offener werden und der Albtraum beginnt ...



Ed. Hauswirth, der mit dem TAG 2014 den Nestroy-Preis für DER DISKRETE CHARME DER SMARTEN MENSCHEN erhalten hat, liefert erneut einen brisanten und pointierten Abend zu den großen gesellschaftlichen Umbrüchen in unserer Gegenwart. Ein etwas anderes 100-Jahr-Jubiläum der Republik.

Team

Es spielen
Regie
Ed. Hauswirth
Bühnenbild
Johanna Hierzegger
Kostüm
Christina Romirer
Dramaturgie
Tina Clausen, Isabelle Uhl
Video
Gregor Graschitz
Regieassistenz
Renate Vavera
Regiehospitanz
Alexander Schlögl

Foto-Galerie

Kritiken

“Hochkomisch und hochbrisant. (...) Die Dialoge sind überzeichnet realistisch, das Setting vor goldenem Glitzervorhang ist irreal. (...) Mit Sätzen wie 'Wer wird schon mit 30 Kanzler?'' und 'Wir reden wie auf Twitter' macht der Abend großen Spaß und ist gleichzeitig erschreckend klug, wenn es etwa heißt 'Medien bieten das Theater für inszenierte Politik'. Es bleibt die Frage, wann der Journalismus endgültig abgeschafft sein wird.”
Falter
“Das kleine, aber hervorragende TAG bringt als erste Premiere der Spielzeit 'Der Untergang des österreichischen Imperiums' heraus, geschrieben (gemeinsam mit dem Ensemble) und inszeniert vom Theater-Wüterich Ed. Hauswirth. (...) Das Ensemble spielt furios. (...) Die Inszenierung verzichtet auf den erigierten Zeigefinger und ist unglaublich komisch - genau das macht sie so zwingend. (...) Riesenjubel vom Premierenpublikum für eine spannende und sehenswerte (...) Aufführung.”
Kurier
“Die aktuellen Entwicklungen spielen dem Regisseur Ed. Hauswirth in die Hände. Es sind dankbare Zeiten für Theater wie seines. Die BVT-Affäre, die Russland-Kontakte der FPÖ, der Erfolg des Populismus, die Krise der Opposition und eine Bundeskanzler Sebastian Kurz – das alles fällt genau in Hauswirths Beuteschema. Daraus montiert er seine bissigen Stücke. (…) Originell wird die Uraufführung, wo sie ins Groteske kippt. Vielleicht ist (…) in Wien ja schon das Parlament aufgelöst worden? Wird dann überall geraucht werden dürfen? Übernimmt Andreas Gabalier dann das Konzerthaus? Solcher Witz und viel Spiellust machen die zwei Stunden hoch amüsant.”
Der Standard
“Zwei unterschiedliche Gewalten treffen im Theater an der Gumpendorfer Straße erstmals aufeinander: das Grazer Theater im Bahnhof, dessen Spieler ihren Humor aus Unterspanntheit generieren, und das hochenergetische TAG-Ensemble. Das gemeinsam entwickelte Stück (…) spielt im absoluten Jetzt. (…) die Verheiratung der Ensembles klappt: Alle acht arbeiten einfach ihre jeweiligen Stärken heraus. Ein sehenswerter Abend.”
Wiener Zeitung
“Kurzweiliges Theater zum Schmunzeln und Wundern.”
WIEN LIVE – Das Stadtmagazin
“Der Abend war für mich wunderbar, schon lange habe ich nicht ein so großartiges Stück gesehen.”
Augustin
“Der Untergang des österreichischen Imperiums' ist eine Mischung aus Gesellschaftskomödie mit einer dystopisch anmutenden, politischen Gegenwartsbeschreibung und changiert dementsprechend zwischen diesen Polen. Die Inszenierung macht klar, dass sich Österreich in einem Zustand befindet, mit dem sich viele zwar noch nicht abfinden wollen, Ressentiments oder gar Trauer völlig nutzlos sind. Wer dem einen Hoffnungsschimmer entnehmen will, muss sich schon am rechten Rand des politischen Spektrums wohlfühlen.”
European Cultural News
“Die politische Utopie ist tot, die untote Vergangenheit lebt. Auf diesen Punkt bringt am Ende einer der Protagonisten die Situation der Nation, wenn nicht der Welt, und es wäre ein allzu deprimierendes, wäre man zuvor nicht zwei Stunden lang im TAG gesessen. (…) Wie immer haben Hauswirth und sein Team den Text nach geführten Interviews entwickelt, und da müssen einige Kolleginnen und Kollegen niedergeschmettert von der eigenen Branche aus dem Nähkästchen geplaudert haben, so absurd, so traurig, aber wahr ist der Abend., der daraus entstanden ist. (…) Die Schauspieler sind gewohnt großartig.”
Michaela Mottinger — Mottingers Meinung
“Die acht Akteure durchleben ein Wechselbad in diesem von Ed. Hauswirth inszenierten, mit dem Ensemble geschriebenen Stück – eine Koproduktion des TAG mit dem Theater im Bahnhof Graz. Die Bühne wurde von Johanna Hierzegger sparsam gestaltet, Außenszenen sieht man hoch oben auf zwei Screens: Die Frauen joggen, die Männer kochen. Flirts, Streit, Singen, Prügel, pointiertes Jammern über den neuen Faschismus und die Misere im Journalismus bestimmen den ca. zwei Stunden langen Diskurs. Er verläuft recht beliebig. Dieses Lehrstück wirkt im Reality-Check fast zu harmlos. Manch eine Szene kippt ins Surreale, etwa die: Kanzler Kurz im monotonen Background-Singsang, während alle gequält nach Halt suchen. Die Darsteller machen ihre Sache aber gut, ob nun Lisa Schrammel als hoffnungsvolle Junge, Juliette Eröd in frischem Trennungsschmerz oder Jens Claßen und Georg Schubert als verbrauchte Typen. Sie wissen längst: ‘Die Zeit der Utopien ist vorbei.”
Norbert Mayer — Die Presse
“Regisseur Ed. Hauswirth zeichnet für sein aktuelles Werk ein düsteres Bild der politischen und medialen Gegenwart in Österreich. (…) Es sind viele ernste Fragen unserer Zeit, die in der Koproduktion des Grazer Theaters im Bahnhof mit dem Wiener Theater an der Gumpendorfer Straße gestellt werden. Mit Humor und Können. Und doch lassen einen die fast zwei Stunden etwas ratlos zurück. Was wahrscheinlich dazugehört, zu einem imperialen Untergang. Und im Detail auch nicht allzu sehr überrascht. Zumindest nicht, wenn man ein gelernter Österreicher ist.”
Fazit
“Das TAG Theater Wien setzt sich mit der umjubelten Uraufführung ‘Der Untergang des österreichischen Imperiums oder die gereizte Republik’ von Ed.Hauswirth und dem Ensemble fulminant an das Jubiläumsbankett des Landes. Es ist ein komödiantisch wie intellektuell kritisch mitreißender Blick auf die moderne Gesellschaftsgeschichte in allen Herausforderungen und Enttäuschungen. Die Inszenierung in der grandiosen Darstellung und Sichtbarmachung individueller Lebenswege öffnet die großen Einsamkeiten und stillen Tragödien unserer Zeit, in denen Fragen und Klagen persönlich bleiben (müssen) und so innerlich erstarren lassen. Das Ensemble interagiert im großen Thema individueller und gesellschaftspolitischer Lebensspannung von Ideal und Realitätanspruch in hervorragender persönlicher Aufmerksamkeit und schafft es die Brüche zwischen sozialer Rollenfassade und unterdrücktem persönlichen Angstschrei in Gänsehaut offenzulegen. Präsenz, Expressivität, Überraschungsmoment und Tragik reißen das Publikum mit. Ein Bühnenereignis, das unterhält wie nachdenklich macht und zeigt welch Kraft, Aufmerksamkeit und Spielfreude modernes Theater auszeichnen kann.”
Walter Pobaschnig — Literaturoutdoors
“Regisseur Ed. Hauswirth vermisst in seinem neuen Theaterstück den Zustand von Land, Politik und Medien. Und dreht im Interview gern den Spieß um.”
Katrin Nussmayr — Die Presse, Schaufenster
“Ed. Hauswirth hat mit dem Ensemble das Stück (…) erarbeitet. Es enthält alles, was eine gute Satire am Theater ausmacht, von der Hirschbrunft, mit der die Männer einander aus dem Feld röhren wollen, bis zum fein formulierten Stutenbeißen der Frauen. Die einzelnen Darsteller überzeichnen gekonnt das Lamento einer nunmehr von den politischen Futtertrögen weggesperrten linken Gesellschaft. (…) Man lacht dazu, wo es eigentlich nichts zum Lachen gibt. Aber das haben die Produktionen des TAG so an sich. Sie sind jedesmal garantiert noch nie dagewesenes Theater, dem man sich ruhig ausliefern darf, um danach draufzukommen, dass man es trotzdem gesehen haben muss.”

Über die Produktion

Imperien haben Appetit. Ihr Wesen ist, so lesen wir, die voranschreitende Einverleibung. Umformung. Die Durchflutung ihres Herrschaftsgebiets mit dem Verdauungssaft ihrer eigenen Erzählung. Hindert man Imperien an diesem Tun, dann hauchen sie ihr Leben aus und sinken als kollektiver Zusammenhang in das Unbewusste und leben dort als zu beklagende, klagende Schattenwesen in einem Hades der Ideen fort.

Imperien vergeistigen und werden Spuk in dem Moment, da eine Mehrheit ihrer BewohnerInnen nicht mehr an sie glaubt, die imperialen Narrative nicht mehr akzeptiert. Verlieren Imperien ihre identitäts- und zugehörigkeitsstiftende Autorität, lösen sie sich manchmal in fast atemberaubender Geschwindigkeit auf.

Wie geht das vor sich?

Allen imperialen Bauwerken eignet eine Doppelnatur. Der immunisierende Schutz nach außen zum einen: die Mauer, der Limes, die Membran und Außenhaut (dahinter liegt Feindesland, welches Barbaren-Horden nährt). Zum anderen aber auch eine innere ökonomie der Erzählung: die Konsolidierung entlang der “für wahr” befundenen Prinzipien, Grundsätze und Regeln, die Ausrichtung auf Tradition und die generationenübergreifende Weitergabe nach innen. Also der stetige Kampf gegen die korrodierenden Kräfte. Sinken Imperien, so ist der obligatorische Einfall der Horden immer bloß eine Folge, nicht Ursache eines inneren Korruptionsprozesses, dessen Wesen das Abhandenkommen der inneren Bekenntnisse zu eigener Wirksamkeit und Bedeutung ist.

Reden wir also über den linkskatholischen Kompromiss der so erfolgreichen hundert Jahre alten “Republik österreich” in ihrer zweiten Erzählung.

Was stimmt nicht (oder nicht mehr?) mit diesem “österreichischen Imperium”? Ist es bedroht vom größeren Fisch der globalen Kultur? Nun – dieser Zermürbungszusammenhang ist nicht von der Hand zu weisen und in einem gewissen Maße real. Jedoch beklagen denselben auch Auguren in anderen Ländern. Ist österreich nur eine von vielen Kajüten der Titanic? Dem “unsinkbaren” Flaggschiff eines untergehenden liberalen Westens? Sind wir bedroht von einer barbarischen, globalen, großkapitalistischen Krake, die ausgreift, unsere Rechtstaatlichkeit mit den Tentakeln ihrer Freihandelsabkommen zu verschlingen? Oder sind wir angefochten und -gegriffen von populistischen Schreihälsen, welche schon den Zement anrühren, während ihre alarmisierenden Sprüche und verzweifelten Blicke die bröckelnde Außenmauer entlangklingen und -streifen? Oder aber ist die postmoderne Kultur mit all ihren dekonstruktiven Verfahren und Methoden selbst die eigentliche Mutter der gefürchteten “illiberalen Postdemokratie”?

Was haben wir übersehen? Was falsch gemacht? Konnten wir etwas übersehen? Oder falsch machen?

Ed. Hauswirth beansprucht für sich als Künstler eine gute Nase. Einen “Ruach”, wie der Steirer offenherzig bekennt. Sein feiner olfaktorischer Sinn wittert den problematischen Verwesungsodem, aus einer Ecke kommend, die man gerne übersieht. Bei den MeinungsmacherInnen, SchreiberInnen, GeschichtenerzählerInnen, den “KonstruiererInnen”, kurz: bei den linksliberalen Intellektuellen.

Die Kindeskinder der kritischen Theorie. Adornos UrurenkelInnen. Die auf der richtigen Seite stehenden MoralistInnen, die Priester eines geistig imperialen, also herrschaftsbeanspruchenden Konsenses, bewaffnet mit den neuen, magischen Werkzeugen, die ihnen das Digitale zur Verfügung reicht. Menschen, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, dass sie richtig reflektieren.

Der Typus eines neuen “Drüberstehers”, des frei über den Theorien schwebenden Autors, des Bloggers, des Kanalbetreibers, der sich selbst aus der von privaten Großkonzernen zur Verfügung gestellten Mutterwolke hervorbringt und auf allen ideologischen Seiten dazu beiträgt, das althergebracht Ständische, Stehende, das auf Papier Gedruckte zu verflüssigen. Der oder die aber gleichzeitig den alten industriellen und angestellten Verhältnissen nachweint. Und die eigenen Texte auf Binnen-I*s abklopft. Diese Erbärmlichkeit ist der auf der Hauswirth’schen Bühne auftretende Charakter.

Dieser – und diese – Herausgehobene, Hervorragende, sich selbst vermarktende, von uns oft bewunderte Einzelkämpfer und -kämpferin sehnt sich in halbbewusster Unterströmung nach krankenversicherter Unbedarftheit, nach lässiger Privatheit, natürlicher Umgebung, Medienfreiheit, ja selbst in weiterer Folge nach Rausch, Losgelöstheit von der ewigen Vernünftelei und nach tribalischem Ritus.

Man trifft sich traditionell zu acht auf neutralem Boden in der Echtwelt: in einer mondänen Villa an den Hängen des Semmering. Der Nachkriegskompromiss der Lagerstraße liegt fühlbar hinter einem, der sozialpartnerschaftliche Geist des “Leben-und-leben-lassens” wurde zu Grabe getragen. Die wirtschaftswunderliche,aus der Nazihölle aufsteigende unschuldige “Austria intakta”: erledigt wie ein Zwölfender. Aber auch ihre jüngere, von Qualtinger, Bernhard, Jelinek, Heller und anderen wachgezwickte, selbstkritische Schwester liegt darnieder. Dies zarte und korrekte Reh! Die Wolfsrudel haben es zu Tode gehetzt. Dies wird am Semmering bemerkt und auch beklagt, vorrangig aber sind die ökonomischen Partikularinteressen. Das Vorwärts- und Weiterkommen in der dünnen Luft der öffentlichen Wahrnehmung. Erbärmlich, widerwärtig zwar, doch Quelle abgrundkomischen Theaters.

Humor, herausgeschlagen aus der Not der Eitlen, Scheinbar-Großen, Elitären hat, so Hauswirth, immer seinen heilenden Effekt. Darauf zielt der scharf schießende Jäger und Untergangsprophet Hauswirth ab. Auf eine verzweifelt komische Dystopie.

Wir lachen auch. Was aber wäre zu tun? Im Wirklichen? Wie das früh Gerochene an seiner weiteren Verwesung hindern. Ist Rückkehr möglich? Und was sagen wir den Jungen? Muss man am Ende das Genre wechseln oder das Medium? Eine Partei gründen? Einen weiteren Medienkanal eröffnen? Seriöse und politisch einwandfreie und korrekte, von privaten Getränke- Mogulen finanzierte Hochglanz-Magazine mit Content füllen? (Das wären endlich wieder fünfzehn Monatsgehälter!)

All dies – und da zitiert Hauswirth John Cage – seien Fragen, deren Schönheit er nicht vorhabe, mit einer gegebenen Antwort zu verderben.

Gernot Plass
Künstlerischer Leiter

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