Maria Stuart
Frei nach Schiller
- Vorstellungsdauer
- ca. 120 Minuten, keine Pause
Uraufführung
Premiere: Sa. 13. April 2024, 20.00
Zwei starke, stolze, sture Frauen im Kreuzfeuer von Macht, Moral und dem Abwägen von Möglichkeiten. Plass überschreibt Schillers Meisterwerk und zieht die politischen Parallelen ins Heute: Macht will keine Kontrolle, Macht will ungehindert machen!
Termine und Infos
Über Maria Stuart
"So geht pures Theater. Plass‘ beste Arbeit seit langem." Falter
"Schillers 'Maria Stuart' wird im TAG zum Spionage-Thriller – Hochspannung!" Die Presse
Wiederaufnahme wegen des großen Erfolgs: Eine Frau, die durch ihre nicht zu bändigende Leidenschaft, ihr politisches Ungeschick, aber auch durch Pech zur brennendsten politischen Gefangenen des 16. Jahrhunderts wurde. Mitten in der wohl heißesten Phase der europäischen Religions-Konflikte. Ein Drama, das Shakespeare aus nachvollziehbaren Gründen nicht anfassen konnte, da der leibliche Sohn dieser Unglücklichen sein Auftrag- und Geldgeber war. Dieses Drama hat Schiller dann geschrieben. Und verfasste ein nahezu perfektes Stück. Warum es also neu schreiben? Neu denken? Die Geschichte stellt den dramatischen Konflikt, der ja das Lebendige und Lehrreiche innerhalb des Vorgangs ist, unter eine patinierte Glocke, bis dieser fast am Staub erstickt. Man muss da also mal etwas husten. Zu weit wäre es sonst weg, dieses 16. Jahrhundert.
Aber sind wir wirklich so anders als die Menschen damals? Auch in unserem geschichtlichen Ausschnittsfenster hat sich ja ein Gewissens- oder Gesinnungs-Konflikt aufgebaut, der gewisse Übertretungen als „Sünde“ ahndet, sie nicht zulässt und das Zuwiderhandeln genau wie damals verfolgt: mit politischer Gefangenschaft, Exilierung (freiwillig oder eben nicht), Füsilierung (offen oder verdeckt). Politische Gegner*innen werden immer noch gerne angeklagt. Zunächst werden sie bepatzt, dann neu erzählt oder eine unzuträgliche Meinung über sie verbreitet. Auch einige Journalist*innen kommen einem da in den Sinn. Unangenehm, lästig und entlarvend. Wie wird man die auf legale Weise wieder los? Jedenfalls nicht im Rahmen der liberalen westlichen Ordnung, auf die wir alle doch so stolz sind.
Auf gut Deutsch: Es hat sich nichts geändert – Macht braucht keine Kontrolle. Macht möchte ungehindert machen. Und wenn Macht mit Machtgrenzen konfrontiert wird, unterliegt sie nur allzu gerne der Versuchung, diese zu überschreiten. So wie die eigentliche Machtfrau in diesem Stück –die nicht die Titelrolle ist.
Team
- Es spielen
- Text
- Regie
- Ausstattung
- Dramaturgie
- Licht
- Regieassistenz
- Kostüm- und Requisitenbetreuung
- Tontechnik
- Bühnentechnik
- Katja Thürriegl
- Peter Hirsch
- Manuel Sandheim, Andreas Wiesbauer
Foto-Galerie
Kritiken
Über die Produktion
Der Fall ist etwas für Historiker*innen:
Das offizielle England des ausgehenden 16. Jahrhunderts brauchte keine Frauenquote, um seinen Thron zu besetzen, denn Frauen hatte es dafür derer sogar zwei. Zumindest zwei, die sich um den Job bewarben. Und der war ausgeschrieben zu dieser Zeit. Zumindest in der Sphäre der religiös-ideologischen Überbauten. Und das machte alle ganz nervös.
Es herrschte, um es modern zu formulieren, ein unlösbarer Konflikt. Die religiösen Narrative, das herrschende Gesetz und die Gesetze der Herrschenden, die Erbfolgen und Zufälle hatten es auf ein „High Noon“ angelegt. Ja, die Geschichte hat es manchmal gerne dramatisch. Im Falle der Maria Stuart legte sie es auf einen Endkampf der Sonderklasse an. Großpapa Tudor hatte gerade vorgestern den letzten Plantagenet aus dem Sattel gespießt und die Familie Tudor war alles andere als etabliert. Maria Stuart hatte feudaleAnsprüche auf die Position, welche von ihrer unvermählten, nicht ganz astreinen Tante zweiten Grades gehalten wurde. Das Zeitalter hieß noch lange nicht das „Elisabethanische“. Die anglikanische und damit auch in ferner Zukunft kapitalistische Ordnung hing buchstäblich an einem Faden, der identisch war mit dem Leben Elisabeths I. Und das ließen sich einige „Freiheitskämpfer“ nicht zweimal sagen. Die politische Gefangene in Schloss Fotheringhay war ein nach ganz Europa strahlendes Protestant*innen-Kryptonit. Diereligiösen Krieger (Frauen gab‘s da nicht) wurden zu Dutzenden drüben an der anderen Kanalseite ausgebildet und nach der Insel versendet, um Maria Stuart zu befreien. Eine verschwitzte Sache.
Der Fall ist aber auch etwas für Ökonom*innen: „Brexit“ bezeichnet heute ein Verfahren, das sich schon oft wiederholt hat und das eine lange Geschichte aufweist. Der ideologisch-politische Rückzug Englands auf eine Position, die mit seinen Küsten endet, wurde damals erfunden, war aber erst eine Generation davor auch im Glauben vollzogen worden und bei Weitem nicht abgeschlossen. Das katholische Europa war schockiert und belegte den Inselstaat mit drakonischen Sanktionen. Der Papst exkommunizierte fleißig und von der „heiligen“ Union Europas wurden mehrereSanktionspakete geschnürt. Doch sie prallten an den Dover-Felsen ab oder versanken im zugigen Ärmelkanal. Die Engländer*innen befreiten sich in eine „splendid isolation“, die das Selbstbewusstsein der Bevölkerung und die Beliebtheit seiner Herrschaft in gleichem Maße stärkte, wie die Sanktionen sich steigerten und scheiterten. Kennt man das vielleicht …? Man baute die Flotte und die Geheimdienste aus, gab mit dem ohnehin ruinierten Ruf ungeniert Freibeuterbriefe an seefahrende Abenteurer aus und begann mit einer prosperierenden Inselwirtschaft, deren Blüte die elisabethanische Kultur und nicht zuletzt das Theater Shakespeares ermöglichte (der im Übrigen nur wenige Jahre vor der Enthauptung Maria Stuarts das Licht der Welt erblickte).
Doch der Fall ist auch etwas für Dramatiker*innen: Schiller recherchierte dafür über zwanzig Jahre. Der Historiker. Der Dramatiker Schiller entschloss sich, von der Frucht nach nur knappen siebeneinhalb Monaten Schwangerschaft zu entbinden. Eine Sturzgeburt. Schiller schrieb noch, als man im Weimarer Theater bereits unter der Anleitung Goethes zu proben begann. Und er kam mit einem der schönsten Kinder der Weimarer Klassik nieder. In diesen perfekten fünf Akten werden sowohl der Fall als auch das Schicksal der Maria Stuart mit einer großartigen Mischung aus historischen Fakten und dramatischer Erfindung abgehandelt. Ein Fest für „Furcht“ und „Mitleid“. Ein hochmoderner politischer Thriller. Der Dichter Schiller verwaltete darin seine schöpferischen Energien und seine historische Akribie auf eine Art und Weise, dass am Ende ein nahezu perfektes Drama entstand. Was soll man dem noch hinzufügen? Man kann sich also nur verneigen – und doch … und doch …
Der Fall ist auch etwas für Kenner*innen der Abseitsregel: Denn Schiller hat darin die Geschichte des Ballsports völlig liegen gelassen. Die oben genannten elisabethanischen Freibeuter warfen sich ja gerade auf jene Schiffe, welche aus der westlichen Hemisphäre heimkehrend reich bela-den waren. Auf einem dieser spanischen Galeonen nun wurde ein amerikanischer Ureinwohner transportiert, der nach England entführt über eine aztekische Kultsportart berichtete, bei welcher ein Lederball mit dem Fuß über ein Feld in das gegnerische Tor getrieben werden muss. Ein Ereignis mit unabsehbaren Folgen. Dieser kulturhistori-schen Tatsache musste in der vorliegenden Überschrei-bung Rechnung getragen werden. Auch wenn man uns jetzt spleenig nennt. Denn die Abseitsregel ist eine reinenglische Erfindung und das Scheitern an ihr wurde von beiden Machtfrauen dieses Stückes gut eingeübt – ansons-ten hat man auch nicht viel verändert … Viel Vergnügen!
Gernot Plass
Künstlerischer Leiter des TAG